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Bericht: Der Borgward-Konzern – Große Träume, große Tragik

Es ist eine Geschichte großer Träume und noch größerer Tragik, ein Epos, wie es ein Hollywood-Drehbuch nicht besser hätte schreiben können: Kühner Konstrukteur schmiedet in Rekordzeit einen global erfolgreichen Automobilgiganten.

Ein Konzern, der auf den Automobilsalons der 1950er Jahre die aufregendsten Showcars in den Schatten stellt durch eine formvollendete und dennoch relativ bezahlbare Vorzeigebaureihe mit dem verführerischen Namen Isabella. Ein Unternehmen, das Bremen in den Jahren 1949 bis 1961 zu Deutschlands nördlichster Autometropole macht und damit zu einem Symbol für das deutsche Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit wird – und dennoch auf tragische Weise an widrigen Umständen untergeht. Carl F.W. Borgward heißt der geniale Ingenieur und gescheiterte Visionär, der den Konkurs seines Mehrmarken-Imperiums aus Borgward, Goliath, Hansa und Lloyd nicht überlebt. Für Fans in aller Welt bleibt Borgward aber bis heute unvergessen – als Marke, die sogar Mercedes Paroli bot. Kein Wunder deshalb, dass sich immer wieder Prinzen fanden, die die schöne Bremerin aus ihrem Dornröschenschlaf holen wollten. Den vielleicht ernsthaftesten Versuch unternimmt jetzt Christian Borgward, der Marke und Modellen seines Großvaters neues Leben einhauchen will.

Comeback in Genf

Ein Comeback, das in diesem Jahr auf dem Genfer Automobilsalon gefeiert wird. Christian Borgward und sein Partner Karlheinz Knöss, früher Manager bei Mercedes und Saab, gehen ähnlich leidenschaftlich vor wie der einstige Patriarch Carl F.W. Borgward, der in seinen drei Bremer Fahrzeugfabriken Borgward, Goliath & Hansa sowie Lloyd weit über eine Million Fahrzeuge produzierte. Dies damals übrigens fast ganz ohne Fremdkapital. Nur in den Anfangsjahren 1925 bis 1937 nutzte Unternehmens-Gründer Carl F. W. Borgward, der 1924 sein erstes Lastendreirad „Blitzkarren“ lanciert hatte, eine Partnerschaft mit dem Kaufmann Wilhelm Tecklenborg.

Dieser Kompagnon - und die Absatzerfolge seiner Dreiräder - ermöglichten ihm den Erwerb gleich mehrerer anderer Marken samt Werksanlagen sowie im Jahr 1931 die Gründung der Hansa-Lloyd- und Goliath-Werke Borgward & Tecklenborg oHG. Einen raketengleichen Aufstieg zum größten Einzelkaufmann unter den deutschen Autobauern erlebte der von Kreativität, Erfindungsgeist und Innovationsfreude getriebene Borgward aber erst nach Tecklenborgs Ausscheiden 1937.

Neues Werk in Bremen

Der frisch gebackene Allein-Entrepreneur eröffnete 1938 das neu errichtete Werk Sebaldsbrück, das endlich die ersten Limousinen mit Borgward-Logo produzierte. Kurz nach Kriegsende startete in seinen bombenzerstörten Werken die Lkw-Fertigung, denn die Amerikaner bedachten ihn bereits 1945 mit einem Auftrag. Direkt nach der Währungsreform beginnt 1948 in Bremen das bundesdeutsche automobile Wirtschaftswunder. Carl Borgward startet unter den drei Marken Lloyd, Goliath und Borgward die Automobilproduktion. „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“, spottete der Volksmund über die kleinen Lloyd, die anfangs mit Sperrholzkarosserie ausgeliefert wurden. Machte nichts, denn die sogenannten Leuko-Plastbomber waren billiger als der VW Käfer und besser als die aufkommenden Rollermobile und konnten deshalb bis 1961 in über 350.000 Einheiten ausgeliefert werden.

Geld verdiente Borgward auch mit den Goliath-Transportern und den kompakten Goliath-Limousinen und Kombis GP 700/GP 900, die er optional sogar mit revolutionärer Benzineinspritzung auslieferte. Eine weltweit beachtete Sensation war der 1949 vorgestellte Borgward Hansa 1500, die erste deutsche Limousine in Pontonform. Schon damals ging es Schlag auf Schlag, Borgward arbeitete, konstruierte und designte wie ein Besessener – über 70 verschiedene Typen bis 1960. Dabei wäre weniger oft mehr gewesen, denn die Kassenlage war klamm. Drei getrennt geführte Marken ohne zentralen Einkauf und zentrale Entwicklung, das war zu teuer.

Stärker als Mercedes

Trotzdem: Dank Lloyd lag die Borgward-Gruppe Anfang der 1950er Jahre nach VW und Opel auf dem dritten Platz der deutschen Zulassungscharts und auch zum Ende des Jahrzehnts war der norddeutsche Riese noch absatzstärker als Mercedes. Borgward war Bremens Stolz und einer der bedeutendsten Arbeitgeber Nordeuropas. Vor allem als der Konzernchef 1954 mit der Isabella zum ganz großen Schlag gegen Mercedes ausholte. Als sportliche Mittelklasselimousine gehobenen Anspruchs fand die feminin geformte Familie aus zweitürigem Stufenheck, lifestyligem Combi (unter den Lasteneseln damals eine Sensation), Cabriolet und Coupé eine freie Marktnische, die sogar von Mercedes und BMW vernachlässigt worden war. Tatsächlich nutzte BMW den 1961 eingeleiteten Borgward-Konkurs sofort, um seine IAA-Messefläche zu erweitern und dort den „Neue-Klasse“-Typ 1500 vorzustellen.

Mit einer Vmax von 152 km/h konnte es die 75 PS-Topversion TS der Isabella auf deutschen Autobahnen sogar mit manchen Oberklassemodellen aufnehmen. Prominente wie Hollywoodstar Paul Newman, Mediengigant Axel Springer, Kreiskolben-Konstrukteur Felix Wankel, SPD-Urgestein Herbert Wehner oder TV-Krimipionier Jürgen Roland, sie alle fuhren die schnelle Bremerin. Und tatsächlich verkaufte Borgward Ende der 1950er Jahre zeitweise mehr Isabella als Mercedes 180er mit Benzinmotor. In 130 Länder wurde die Isabella exportiert, mit den USA als wichtigstem Abnehmer. Dort kippte die Autokonjunktur aber Ende der 1950er Jahre und die Isabella stand ab 1960 auf Halde.

Katastrophale Entwicklung

Noch schlimmer: Isabellas gerade geborene kleine Schwester, die Arabella, stand sich ebenfalls die Reifen platt. Kinderkrankheiten schädigten den Leumund dieses größten aller Lloyd-Modelle. Ein Desaster, das rasche Nachbesserungen und der Namenszug Borgward milderten, aber nicht mehr abwendeten. Borgward musste die Arabella-Halden mit Preisen unter den Produktionskosten abbauen. Für einen Kaufmann, der seine Investitionen stets nur mit Lieferantenkrediten absicherte, eine Katastrophe.

1890: Carl F. (Friedrich) W. (Wilhelm) Borgward wird am 10. November in Altona bei Hamburg als Sohn eines Kohlenhändlers geboren

1919: Borgward wird Teilhaber des Unternehmens Bremer Reifenindustrie

1920: Umfirmierung in „Bremer Kühlerfabrik Borgward & Co“

1924: Mit dem Lastendreirad Borgward Blitzkarren startet die Fahrzeugfertigung

1925: Wilhelm Tecklenborg wird Teilhaber in der „Bremer Kühlerfabrik Borgward & Co GmbH“

1927: Neu-Firmierung Borgward & Co Fahrzeugwerk

1928: Am 10. Januar Gründung „Goliath Werke Borgward & Co GmbH“. Borgward und Tecklenborg erwerben mehrheitliche Anteile an „Hansa-Lloyd-Werke AG“ in Bremen

1931: Hansa-Lloyd geht Konkurs, die Werksanlagen werden von Borgward und Tecklenborg übernommen. Gründung „Hansa-Lloyd- und Goliath-Werke Borgward & Tecklenborg oHG“. Pkw-Modelle Hansa Matador, Konsul (Sechszylinder) und Senator (Sechszylinder) sowie Goliath Pionier (Werbecredo: Billigstes Auto der Welt)

1937: Tecklenborg scheidet aus, jetzt Einzelunternehmen „Hansa-Lloyd-Goliath-Werke Carl F.W. Borgward“

1938: In Bremen-Sebaldsbrück gehen am 23. September die Carl F.W. Borgward Automobil- und Motorenwerke an den Start. Borgward wird zum Wehrwirtschaftsführer ernannt

1942: Ende des Jahres kommt die Pkw-Produktion kriegsbedingt zum Erliegen. Zuletzt wurden u.a. Borgward 2300 Limousinen gebaut

1944: Bei Bombenangriff werden die Borgward-Werke in Sebaldsbrück und Hastedt zertört

1945: Ende Mai, unmittelbar nach Kriegsende, erhält Borgward von den Amerikaner einen Produktionsauftrag für Lkw. Ende des Jahres wird Borgward verhaftet und bleibt bis 1946 inhaftiert. Anschließend Hilfsarbeitertätigkeit im sogenannten Noteinsatz, die durch Krankheit endet

1948: Im Juli wird Carl F.W. Borgward im Entnazifizierungsverfahren als Minderbelasteter bewertet. Borgward darf seine Werke wieder betreten. Im August Gründung der „Goliath Werk GmbH“

1949: Im Februar Gründung „Lloyd Maschinenfabrik GmbH“, ab Dezember 1950 Firmierung als „Lloyd Motoren-Werke“. Im November 1949 Gründung der Carl F.W. Borgward GmbH, Automobil- und Motoren-Werke. Vorstellung und Markstart des Hansa 1500 als erster deutscher Pontonlimousine. Der Borgward Lastwagen B 1250 geht in Serie, außerdem das Goliath GD 750 Dreirad

1950: Lloyd LP 300 Kleinwagen, im Volksmund Leukoplastbomber genannt, geht an den Start. Produktionsstart für den Goliath GP 700. Carl F.W. Borgward erhält von der TH Hannover die Ehrendoktorwürde

1951: Borgward feiert den 10.000sten Hansa

1952: Goliath GP 700 mit Benzineinspritzung. Lloyd LT (Lloyd Transporter) werden als Lieferwagen und Großraum-Pkw eingeführt

1954: Die legendäre Isabella-Baureihe wird eingeführt, zunächst als Limousine und Combi. Goliath Jagdwagen als geländegängiges Fahrzeug für eine Bundeswehr-Auschreibung

1955: Carl F.W. Borgward erhält das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Borgward wird außerdem mexikanischer Honorarkonsul, zehn Jahre später startet die Produktion des Borgward P 100 in Mexiko

1956: Der 250-ccm-Lloyd LP 250 für Inhaber des Führerscheins Klasse 4 wird bis zum Folgejahr in über 3.700 Einheiten verkauft. Allerdings bleibt sein Erfolg weit hinter dem Goggomobil 250 zurück. Prof. Henrich Focke beginnt mit der Entwicklung eines Hubschraubers für Borgward

1958: Aus dem im Vorjahr vorgestellten Goliath 1100 wird der Hansa 1100. Die Marke Goliath litt zu sehr an Kleinwagenimage

1959: Im August Vorstellung des Lloyd Arabella. Außerdem debütiert das neue Flaggschiff Borgward P 100

1960: Am 31. Mai warnt Lloyd-Direktor Tegtmeier vor einer aufziehenden Krise. Carl F.W. Borgward erhält zum 70. Geburtstag das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern. Am Dezember erscheint eine Medienveröffentlichung mit dem Titel „Der Bastler“, der für Unruhe unter Borgward-Kunden und Lieferanten sorgt. Die Carrozzeria Frua in Turin entwirft Nachfolger für Hansa-Limousinen. Nach dem Zusammenbruch wird der Prototyp weiterentwickelt zum Glas 1500/1700

1961: Am 30. September erklärt Wirtschaftssenator Eggers gegenüber Medien, dass Borgward zahlungsunfähig sei und initiiert so einen dramatischen Verkaufsrückgang und einen Ansturm der Gläubiger nach Zahlung ihrer offenen Forderungen. Am 4. Februar wird der Borgward-Konzern nach 13-stündiger Sitzung in eine AG transformiert, die vollständiges Eigentum der Stadt Bremen ist. Borgward übergibt seine Werke entschädigungslos und darf sein Unternehmen nicht mehr betreten. Am 27. Juli beantragt die Borgward-Gruppe Liquidationsvergleich. Am 11. September wird das Konkursverfahren eröffnet über Borgward und Goliath und am 25. November über Lloyd.

1963: Carl F.W. Borgward stirbt am 28. Juli an Herzschwäche. Im Sommer Einstellung des Borgward Arabella, der seit Juni 1962 aus vorhandenen und nachgefertigten Teilen montiert wurde.  Seit Produktionsbeginn hatte die Borgward-Gruppe deutlich über eine Million Fahrzeuge ausgeliefert

1967: Im August läuft in Mexiko der erste Borgward P100 bei der Impulsora Mexicana Automotriz vom Band, die den gesamten Borgward-Maschinenpark für etwa 14 Millionen Mark kaufte. Inhaber des Unternehmens ist Don Gregorio Ramirez, der am 23. September 1964 Produktionsanlagen und Rechte an Borgward übernommen hatte

1968: Aus Mexiko wird ein Borgward P 100 nach Bremen verschifft. Ramirez prüft die Exportchancen nach Deutschland und plant die Produktionsaufnahme der Isabella

1977: Im ehemaligen Borgward-Werk Bremen Sebaldsbrück läuft die Fertigung des Mercedes-Benz T-Modells an. Ab Ende 1982 folgt der Mercedes 190. Heute ist die Fabrik Sebaldsbrück das zweitgrößte Mercedes-Werk weltweit

2013: Mercedes erinnert mit einem Jubiläumsakt an den 75. Jahrestag des durch Carl F.W. Borgward gegründeten Werks

2015: Der Borgward Enkel Claus Borgward präsentiert zusammen mit seinem Partner Karlheinz Knöss auf dem Genfer Automobilsalon seine Pläne für eine Wiederauferstehung der Marke. Dies als Kooperation mit dem Borgward-Markeninhaber, dem chinesischen Automobilhersteller Beiqi Foton Motors

Hansa Matador (1930-1931)

Hansa Konsul (1931-1932)

Hansa Senator (1932-1933)

Hansa 400/500 (1933-1934)

Hansa 1100 (1934-1940)

Hansa 1700 (1934-1939)

Hansa 3500 (1937-1939)

Hansa 2000 (1937-1939)

Borgward 2000 (1939)

Borgward 2300 (1939-1942)

Borgward Hansa 1500 (1949-1952)

Borgward Hansa 1800 (1952-1954)

Borgward Hansa 2400 „Fließheck und Pullman“ (1952-1955)

Borgward Hansa 2400 „Fließheck und Pullman“ (1952-1955)

Borgward Hansa 2400 „Pullman“ (1955-1958)

Borgward Isabella (1954-1962)

Borgward P 100 2,3 Liter (1959-1961)

Goliath GP 700/GP 700 E (1950-1957)

Goliath GP 900 E/GP 900 V (1955-1957)

Goliath 1100 (1957-1958)

Hansa 1100 (1958-1961)

Lloyd LP 300 (1950-1952)

Lloyd 400 (1953-1957)

Lloyd 600 (1955-1961)

Lloyd 250 (1956-1957)

Lloyd Alexander (1957-1961)

Lloyd Arabella/Borgward Arabella (1959-1963)

Borgward Hansa (1949-1954) insgesamt 33.841 Einheiten

Borgward Isabella (1954-1962) insgesamt 155.925 Einheiten

Borgward Isabella Coupé (1957-1961) insgesamt 9.537 Einheiten

Borgward Isabella Combi (1954-1962) insgesamt 37.396 Einheiten

Borgward Hansa 2400 (1952-1958) insgesamt 1.388 Einheiten

Borgward P 100 (1959-1962) insgesamt 2.587 Einheiten

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Die Limousine P 100 wurde Borgwards ganz großer und allerletzter Wurf. Ein Luxusfahrzeug der Repräsentationsklasse, das es mit der Mercedes S-Klasse aufnehmen konnte. Dennoch trug auch das Flaggschiff zum Konkurs-Kollaps des Konzerns bei. Unvergleichlich war etwa die kompressorregulierte Vierrad-Luftfederung mit automatischer Niveauregulierung des 2,3-Liter-Sechszylinders, leider aber auch die Qualitätsprobleme. Die auch deshalb entsprechend niedrigen Stückzahlen des P 100 konnten die immensen Entwicklungskosten nie kompensieren.

Neustart in Mexiko

Allerdings sollte ausgerechnet diese letzte Neuentwicklung von der Weser 1967 wiederauferstehen – im fernen Mexiko. Dorthin wurden die Produktionsanlagen nach dem 1961 eingeleiteten und von vielen Mythen und Dolchstoßlegenden umrankten Borgward-Konkursverfahren verkauft. Am Ende konnten übrigens alle Borgward-Gläubiger befriedigt werden, der geniale Unternehmensgründer erlebte dies allerdings nicht mehr: Er zerbrach am Untergang seines Lebenswerkes. (mg/sp-x)

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