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Vergleichstest: Audi S6 vs. Mercedes E 500 4Matic – Unbemerktes Bullenduell

Alle Welt spricht von Downsizing, der Minimierung des Hubraums zugunsten der Ökonomie. Die Hauptdarsteller in diesem Vergleich haben mit dieser Umweltthematik nichts am Hut.

Audi S6 und Mercedes E 500 4Matic bringen es auf 823 PS, 1.070 Newtonmeter, 10.665 Kubikzentimeter Hubraum verteilt auf 18 Zylinder. Zudem sprechen beide ein und dieselbe Klientel an: Leistungshungrige.
Schon von weitem erblickt man ihn: Den Grundsteinleger für die Audi-LED-Manie. Der S6 führte die aggressive Angeber-Optik aus gleißenden Tagfahrlichtband ein. Zuvor gab es zwar schon den S8 und den A8 W12 mit LED-Tagfahrlicht, jedoch besteht es bei den Luxuslimousinen formvollendet aus einem edlen Kreuz im Scheinwerfer. Mittlerweile hat auf Wunsch jeder A4 das Lichtband und der Exklusivfaktor ist entflohen.

Mercedes will erst gar nicht mit solcher Effekthascherei kokettieren. Der Pilot kann das Abblendlicht lediglich als Dauerlicht aktivieren. Der Sicherheitsgewinn ist ähnlich, der Aufmerksamkeitswert deutlich geringer, das Aggressivitätspotenzial tendiert gen Null.

Contenance bitte

Diese Philosophie zieht sich bei den beiden Kontrahenten durch wie ein roter Faden. Der S6 steht ab Werk auf schicken 19-Zoll-Aluminiumrädern – unser Testwagen war mit Winterpneus im 18-Zoll-Format bestückt. Die Vierrohrabgasanlage, die Aluoptik an den Spiegeln und die gelochten Bremsscheiben (vorne 385 Millimeter Durchmesser) sind dezidierte Details, die sich vom Understatement-Gedanken dezent entfernen.

Noch zurückhaltender geht’s im und am E 500 4Matic zu. Sind die Plaketten am Heckdeckel weg, könnte die stärkste E-Klasse ohne AMG-Adelung glattweg als 200er durchgehen. Alles sieht irgendwie gewöhnlich aus – zu gewöhnlich vielleicht sogar. Denn auf der Autobahn macht der LED-blinzelnde S6 noch immer mehr her, wie die freie linke Spur, die sich auch bei sehr defensiver Fahrweise stets vor ihm auftut, beweist.

Die deutschen Autobahnen sind das Revier der beiden. Von hinten kommt da nicht mehr viel. 435 PS gibt Audi für den S6 an, 388 PS sind es beim Stuttgarter. Geschöpft wird hier wie dort aus dem Vollen. Turbolader oder Kompressor? Nein danke. Hubraum heißt das Leistungsprinzip. Und der gute alte Spruch, Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, es sei denn durch Hubraum, tritt selten so überzeugend in Szene wie hier. 5.204 Kubikzentimeter verschwinden im Motorraum des Audis, 5.461 Kubikzentimeter sind es gar beim E 500, der in den USA gerechterweise als E 550 deklariert wird.

Schlupffreier Vortrieb

Aber egal, unsere noblen Begleiter gehen wie blöd, egal was dran steht. Vom S6 erwartet man förmlich, dass er ungestüm loslegt. Bei unserer Messfahrt katapultierte er den immerhin zwei Tonnen schweren Koloss schlupffrei in 5,4 Sekunden auf Tempo 100 und hangelt sich damit lediglich 0,2 Sekunden hinter der Werksangabe zum Olymp empor. 160 km/h sind nach 13,4 Sekunden abgehandelt. Untermalt wird diese Art des Vortriebs mit einem zornig dumpfen V8-Wummern. Moment, wieso V8? Da steckt doch ein V10 im Bug? Richtig, aber davon hört man nichts. Anders als beim BMW M5, der ebenfalls aus zehn Zylindern zum Angriff bläst, erinnert der S6 eher an einen Achtender.

Der E 500 trat fairerweise auch mit Allradantrieb (4Matic) an, da der Heckantrieb von den 530 Newtonmeter schon bei Trockenheit in Verlegenheit gebracht wird. Das Heck zuckt kurz, die Hinterachse schlupft ein wenig und erst mit etwas Verzögerung wird die Kraft auch zur Vorderachse portioniert. Dann „rattert“ unser Messequipement die Zahlen durch und, oh welch Wunder, der knapp 50 PS schwächere Benz ist in 5,5 Sekunden auf 100 km/h geeilt und hat die 160er-Marke schon nach 13,0 Sekunden hinter sich gelassen. Damit erreicht er unter enttäuschend zurückhaltendem V8-Schnauben die Werksvorgabe.

Vorteil Mercedes: Mit 1,9 Tonnen wiegt er 100 Kilogramm weniger als der Audi, zudem stellt sein V8 zwischen 2.800 Umdrehungen und 4.800 Umdrehungen stets das Drehmomentmaximum zur Verfügung. Der Audi protzt mit 540 Newtonmetern, allerdings stehen die nur zwischen 3.000 und 4.000 Touren Spalier. Bei 250 km/h wird nach wie vor elektronisch geklammert.

Schnell laufen, viel saufen

Eine Unsitte von leistungsstarken Fahrzeugen sind die Trinkgewohnheiten. Audi gibt im Drittelmix für seinen Benzindirekteinspritzer 13,4 Liter Superplus an, Mercedes für seinen indirekt einspritzenden Achtzylinder „nur“ 12,3 Liter Super. Im Test liefen beim Mercedes 14,8 Liter durch, der Audi genehmigte sich nochmals eine Pulle mehr. 16,1 Liter flossen durch die zehn Kehlen des Ingolstädters. Und genau da liegt das Problem der beiden Reiselimousinen: Sie saufen, haben beide 80 Liter Tanks und stehen etwa alle 400 Kilometer an der Zapfsäule.

Ein A6 3.0 TDI hat 233 PS, schafft die 250 km/h mit etwas Rückenwind und benötigt flott bewegt zehn Liter Diesel. Wirklich langsamer ist man nicht unterwegs, dafür aber komfortabler, kostengünstiger und umweltschonender. Zu bemerken ist, dass auch der S6 problemlos und ohne spürbare Einbußen bei Dynamik und Verbrauch mit Superbenzin gefahren werden kann.

Sonne und Schatten

Verbessert das träge Mercedes-Allrad-System vornehmlich die Fahrsicherheit, macht der Quattro im Audi sogar noch Spaß. Der S6 lässt es auf abgesperrten Strecken ordentlich fliegen. Nervig ist hier allerdings, dass bei Lenkrad-Volleinschlag – etwa beim Rangieren – Verspannungen im Torsen-Antriebsstrang zu spüren sind.

Dieses Gebaren ist dem 4Matic-System völlig fremd. Dafür muss der 500er aufgrund des Allradantriebs mit lediglich fünf Automatik-Gängen auskommen. Die aktuelle Siebengang-Automatik wurde noch nicht an die 4Matic-Modelle der E-Klasse adaptiert. Aufgrund des enormen Drehmoments fallen die fehlenden zwei Gänge aber nicht auf. Einen falschen Drehzahlbereich gibt es bei diesem Motor nicht. Der Automat schaltet zudem supersanft und auf Wunsch auch sehr spontan.

Dem S6 wird eine Schaltstufe mehr gegönnt. Hier bringt die Tiptronic bisweilen etwas Hektik ins Geschehen. Auf der Autobahn reichen selbst in „Komfortstellung“ der Automatik kleinste Fußzuckungen, um die Wandlerautomatik zum Schalten zu veranlassen.

Komfort-Reise-Limousinen

Apropos Komfort: Mit diesem hohen Gut der Personenbeförderung wurde der S6 nicht sonderlich bedacht. Trocken und hölzern versucht er zu federn und bessert dabei selbst auf Autobahnen nur Mini-Schäden aus. Grobe Stöße rappeln bis in die bequemen Sportsitze. Von einer schnellen Reiselimousine darf man mehr erwarten, auch wenn ein „S“ im Namen erscheint. Audi bietet weder ein Luftfahrwerk an - das es bei allen anderen „Normal-A6“ gegen Aufpreis gibt – noch offerieren sie das adaptive Magnetic-Ride-System. Der Lohn der Härte: Kaum Seitenneigung und lange Neutralität, bevor es über die Vorderachse ab geht.

Mercedes stattet den E 500 stets mit dem Luftfahrwerk Airmatic DC und 245/45-R17-Aluminiumrädern aus. Das System passt die Dämpferhärte automatisch dem Fahrstil und der Fahrbahnbeschaffenheit an. Das klappt oft, aber nicht immer. Dennoch reisen die Insassen deutlich komfortabler als im S6. Den Sportmodus kann man sich eigentlich schenken, denn auf der abgesperrten Rennstrecke hat der V8 nichts verloren. Im Kapitel Fahrdynamik hinkt er dem S6 deutlich hinterher. Dafür läuft der Benz auf der Autobahn besser geradeaus. Eben so, wie es sich für einen Reisewagen ziemt.

Großraumangebot

Pluspunkte sammelt der Audi bei seiner Bestuhlung. Die S-Sportsitze mit integrierten Kopfstützen sind körpergerecht geformt und bieten zudem eine ausziehbare Schenkelauflage. Dem können die Seriensitze aus Stuttgart nichts entgegensetzen, es sei denn, man wählt einen der drei Sitz-Alternativen des Aufpreiskatalogs. Genial gelöst ist nach wie vor die elektrische Sitzverstellung in der Mercedes-Tür.

Die Verarbeitung ist hier wie dort auf höchstem Niveau, gewisse Eigenheiten bei der Bedienung fordern lediglich Eingewöhnung. Das Platzangebot ist überzeugend. Bei je rund 4,90 Metern Länge ist das auch zu erwarten. In den Benz-Kofferraum lassen sich 530 Liter einladen, ins S6-Abteil derer 546.

Fazit

Der bessere Allrounder ist der E 500. Er arbeitet unspektakulärer, unauffälliger und effizienter. Ist die Typbezeichnungen am Heck ab, „enttarnt“ ihn niemand als bulligen V8. Anders der S6: Hier fallen nicht nur Kennern die vierflutige Abgasanlage und die riesige Bremsanlage auf. Das LED-Tagfahrlicht outet ihn zudem schon von weitem als S6.

Der Mercedes gewinnt letztendlich auch deswegen, weil er trotz Minderleistung identische Fahrleistungen bietet, 1,3 Liter weniger verbraucht, sein Motor auf Superbenzin ausgelegt ist, er Komfort bietet und ausstattungsbereinigt satte 11.000 Euro günstiger ist als der nur stahlgefederte S6. Das ist bei einem Vergleich zwischen Ingolstadt und Stuttgart sonst eher selten der Fall.

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